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Out Of The Box Science

5. Wahrnehmung & Interaktion

Motorisches Lernen 5. Wahrnehmung & Interaktion
Beitragsübersicht
  • A. Theorie der Wahrnehmung
  • B. Wahrnehmung der Umwelt
  • C. Verkörperte Wahrnehmung
  • D. Veränderungen der Aktionskapazität
  • E. Auswirkungen der Embodied Perception

A. Theorie der Wahrnehmung

Die bisherigen Beiträge, wie auch das Zitat von George Box „Essentially, all models are wrong, but some are useful“ verdeutlichten bereits, dass es sich bei den Überlegungen des ökologischen Ansatzes nicht um Fakten handelt. Stattdessen liefert der Ansatz ein vereinfachendes Konstrukt, das beim Verständnis der Motorik helfen soll.

Auf die gleiche Weise verhält es sich in Bezug auf die Wahrnehmung der Umwelt im Rahmen des ökologischen Ansatzes und der “embodied perception”, also der “verkörperten Wahrnehmung”. Es handelt sich lediglich um theoretische Ansätze, welche versuchen, die Wahrnehmung der Umwelt besser greifbar zu machen.

Wahrnehmung wird in diesem Rahmen nicht als ausschließlich kognitiver, repräsentativer Prozess der Umwelt betrachtet, sondern als motorische Fähigkeit, welche direkt mit der Handlung innerhalb der Umwelt gekoppelt ist. Erneut ist der Organismus nicht als Mittelpunkt zu verstehen, welcher die Wahrnehmung und Handlungskapazität selbst bestimmt. Stattdessen ordnet sich der Organismus lediglich den wahrgenommenen Handlungsmöglichkeiten unter und passt sich in stetiger Wechselwirkung mit der Umwelt an.

B. Wahrnehmung der Umwelt

Eine häufige Vorstellung bezüglich der Wahrnehmung ist, dass Organismen die objektiven Eigenschaften, wie physikalische Größen von Objekten in der Umwelt sensorisch wahrnehmen und diese Informationen anschließend zentral verarbeitet und interpretiert werden. Hierbei stellt sich allerdings die Frage, welchen Mehrwert diese objektiven Informationen für den Organismus haben. Letztlich sind Wahrnehmungen ebenso wenig frei von Variation wie auch die Aktionen innerhalb der Umwelt.

Außerdem wird diese Überlegung der Komplexität der Situation nicht gerecht, denn die Wahrnehmung der Umwelt sowie die Fähigkeiten einer Sportlerin, mit dieser zu interagieren, stehen in einer wechselseitigen Beziehung.

Mit diesen Überlegungen hat Gibson den ökologischen Ansatz der Wahrnehmung der Umwelt geprägt. Dieser postuliert, dass Energie nicht aufgewandt wird, um ein repräsentatives mentales Abbild der Umwelt in physikalischen Größen zu erstellen. Stattdessen werden direkt Handlungsmöglichkeiten in der Umwelt wahrgenommen, welche die weiteren (motorischen) Handlungsmöglichkeiten prägen. Wie bereits im Beitrag “Technik & Variabilität” erklärt, werden nicht die physikalischen Eigenschaften einer Treppe wahrgenommen, sondern die individuelle Möglichkeit, mit dieser zu interagieren.

Ebene Flächen werden nicht bloß als Flächen mit bestimmten physikalischen Größen wahrgenommen, sondern als Möglichkeiten auf diesen zu sitzen oder zu ruhen. Ebenso werden Öffnungen gegebenenfalls als Blick- oder Durchgangsoptionen angesehen und hängende Flächen beispielsweise als Unterschlupf. Weitere Informationen über die Oberflächen geben dabei detailliertere Informationen über mögliche Handlungen, sodass glänzende Flächen als gegebenenfalls rutschig oder klebrig wahrgenommen werden, was die weiteren Handlungen, wie das Einnehmen einer Ruheposition auf diesen, erschwert.

Dieses Konzept der Wahrnehmung basiert nicht bloß auf physischen Eigenschaften der Umwelt. Stattdessen hängen die Informationen, welche über Objekte wahrgenommen werden, von der Fähigkeit ab, mit diesen zu interagieren. Neue Fähigkeiten können mit diesem Denkansatz also auch die Wahrnehmung neuer Handlungsmöglichkeiten fördern.

Diese Situation ist leichter greifbar, wenn die unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten von verschiedenen Tieren betrachtet werden: Ein Vogel wird einen Baum gänzlich anders wahrnehmen, als ein Hund, denn letzterer hat beispielsweise nicht die Möglichkeiten in den Baumkronen zu nisten.

C. Verkörperte Wahrnehmung

Sobald eine Sportlerin ihre Umwelt wahrnimmt, interpretiert sie also ihre persönliche Fähigkeit in dieser zu handeln. Die Aktionskapazität ist dabei ein wesentlicher Bestandteil ebendieser Wahrnehmung. So ist es möglich, dass erfahrene Kletterer bei der Betrachtung einer Felswand eine Fortbewegungsmöglichkeit in der Vertikalen wahrnehmen, während Menschen ohne derartige Aktionskapazitäten des Kletterns bloß eine Felswand ohne Interaktionsmehrwert betrachten.

Der Ansatz, der dahintersteht, nennt sich “embodied perception”, also verkörperte Wahrnehmung. Dieser beschreibt, wie die Aktionskapazitäten eines Individuums und dessen Wahrnehmung in gegenseitiger Wechselwirkung stehen.

Sinnesorgane, welche die Wahrnehmung überhaupt erst ermöglichen, sind nicht dafür geeignet, um allgemeingültige, objektive Informationen aufzunehmen und diese präzise zentral zu rekonstruieren. Dies zeigt sich bereits dadurch, dass statische Informationen nach einer Zeit ausgeblendet werden, während nutzbare variable Informationen präsenter sind. Stattdessen ermöglichen es die Sinnensorgane, mit aktionsspezifischen Variablen der Umwelt in den Austausch zu treten, sodass Informationen aufgenommen werden, welche dabei helfen können, Ziele zu erreichen oder variable Wege zu diesen Zielen zu finden.

Leitplanken, können, diesem Konzept nach, aufgrund ihrer einschränkenden Wirkung auf die Aktionskapazität auch die Wahrnehmung beeinflussen. Während des Bergsteigens können sowohl ein schwerer Rucksack (aufgabenbezogene Leitplanke) als auch eine Vorermüdung oder Verletzung (individualspezifische Leitplanken) dazu führen, dass die Steigung eines Berges als steiler wahrgenommen wird. Ein besserer Trainingszustand oder bereits erlebte Erfolgserfahrungen bezüglich des Bergsteigens (individualspezifische Leitplanken) können hingegen dazu führen, dass die gleiche Steigung als geringer wahrgenommen wird. Auf die gleiche Weise kann sich die Wahrnehmung ebenso im Falle von Gewichten im Kraftsport oder Zielscheiben beim Bogenschießen verändern, sodass diese für die Sportlerin schwerer oder leichter beziehungsweise größer oder kleiner erscheinen.

Diese Individualität der Wahrnehmung zeigt, dass sie nicht für jede Sportlerin gleich ablaufen muss und erklärt, weshalb die Wahrnehmung von Herausforderungen durch Leitplanken und Aktionskapazität beeinflusst wird.

D. Veränderungen der Aktionskapazität

Jedes Objekt in der Umwelt verfügt über ein bestimmtes Repertoire an individuellen Handlungsmöglichkeiten (“Affordances”) für die Sportlerin. Die tatsächliche Interaktion mit diesem Objekt hängt wiederum von den Fertigkeiten und Kapazitäten der Sportlerin ab. Dabei ist die Aktionskapazität kein statistisches Konzept, sondern, durch diverse Leitplanken, Wahrnehmung und weitere Einflüsse, anpassungsfähig und variabel.

Um die Wahrnehmung von Interaktionsmöglichkeiten realistisch zu fördern ist es daher wichtig, dass Sportlerinnen ermöglicht wird, ihre eigenen Erfahrungen, durch die direkte Handlung in der Umwelt, zu machen. Auf diese Weise können sie ihre individuelle Aktionskapazität sowie die Möglichkeiten, welche Objekte erlauben, erkunden.

Die Aktionskapazität kann dabei durch Leitplanken, allerdings auch durch das Training selbst, verändert werden. Trainiertere Beine können etwa schnellere Bewegungen ermöglichen und somit neue, variable Bewegungslösungen mit sich bringen, welche wiederum die Wahrnehmung der Interaktionsfähigkeiten mit Gegenspielern verändern. Daher müssen derartige dynamische Anpassungen des Individuums und Veränderungen der individuellen Leitplanken auch in der Realität erprobt werden, um weiterhin die aktuelle Wahrnehmung anzupassen. Auch ist es möglich, dass Zustände wie Erschöpfung oder Verletzungen dabei die Handlungsfähigkeit und dementsprechend die Wahrnehmung der Handlungsmöglichkeiten beeinflussen.

E. Auswirkungen der Embodied Perception

“Embodied perception” als Teil des ökologischen Ansatzes bedeutet automatisch Aktionskapazitäten mit ökologisch nutzbaren Objekten wahrzunehmen. Dies widerspricht der Vorstellung, physikalische Eigenschaften wertfrei und objektiv messen zu können und mit diesen Informationen mentale Abbilder zu konstruieren.

Wird eine Sportlerin nach ihrer Einschätzung oder Wahrnehmung der Umwelt gefragt, so ist die Antwort eine Information über die ihrerseits wahrgenommene Aktionskapazität und Handlungsfähigkeit in dieser Umwelt.

Um die Herausforderungen innerhalb des Trainings an die Sportlerin anzupassen, müssen daher die individuellen Aktionskapazitäten und Handlungsoptionen, welche die Objekte bieten, auf diese angepasst werden. Denn nicht jeder Ball und jedes Ziel sehen für jede Sportlerin gleich aus. Daher beeinflussen auch Leitplanken die Wahrnehmung im Rahmen der gestellten Aufgaben, der Umgebung und auf individualspezifische Art.

Dabei bietet dieser Ansatz auch Implikationen für neue Trainingsmethoden: Aufgaben, welche leichter erscheinen, verleiten eher zu einer entsprechenden Handlung. Schwierigere Aufgaben, geringere Aktionskapazitäten oder die Wahrnehmung, dass ein Lösungsansatz nicht länger ausreichend oder zielführend ist, führen dazu, dass nach alternativen Lösungsansätzen gesucht wird.

Wie das Individuum, trotz der vielfältigen Einflüsse von Leitplanken, Handlungsmöglichkeiten und Wahrnehmung, Bewegungslösungen auswählt wird im nächsten Beitrag erklärt.

  • Literatur
  1. Davids, Renshaw, Pinder, Araújo & Vilar (2012) “Principles of Motor Learning in Ecological Dynamics A comment on Functions of Learning and the Acquisition of Motor Skills (With Reference to Sport)”
  2. Gray (2021) “How We Learn to Move: A Revolution in the Way We Coach & Practice Sports Skills”
  3. Seifert & David (2016) ”Ecological Dynamics: a theoretical framework for understanding sport performance, physical education and physical activity”
  4. Shumway-Cook & Woollacott (2017) “Motor Control: Translating Research Into Clinical Practice”actice”
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